Doch nicht kritisch

Nachdem ich gebeten wurde, auch meine Erfahrungen nach 32 Jahren Philippinenforschung  und insgesamt mehreren Jahren in den Philippinen aufzuschreiben, möchte ich mich in einigen Punkten an Hector Pascuas Artikel “Annoying  attitudes of Pinoys that need to get rid off“ anlehnen.

Zuerst einmal freue ich mich, dass sich ein philippinischer Journalist auf diese Weise mit diesem Thema auseinandersetzt. Es ist sicher einfacher, wenn solche Beobachtungen aus den eigenen Reihen und nicht nur von außen kommen. Ich meine auch,  dass eine realistische Einschätzung der eigenen Ethnie produktiver ist als Mythen aufzubauen. Ich möchte aber auch als Österreicherin, die das Privileg hatte, einige Zeit in den Philippinen zu verbringen und immer noch mit vielen Filipinas und Filipinos auch hier in Kontakt ist, dem noch etwas  hinzufügen und kann dabei nicht ganz unkritisch bleiben.

Wenngleich philippinische  Zuwanderinnen und Zuwanderer nicht müde werden darauf zu verweisen, dass sie die bestintegrierte Migrantengruppe in Österreich seien, muss diese Behauptung sehr wohl hinterfragt werden. Wie Hector schreibt, gibt es keine einheitliche Community, sondern weitgehend regionalorientierte Gruppierungen, die nebst den Menschen aus ihrer Herkunftsregion wenige Kontakte mit Österreicher/innen haben. Diese sind weitgehend auf die Verwandten ihrer angeheirateten österreichischen Ehemänner beschränkt. (Öster­reichische Frauen heirateten bislang ja nur selten philippinische Männer.) Allerdings genießen Jugendliche mit philippinischen Wurzeln zumindest innerhalb des Schulverbandes oft größere Akzeptanz als Jugendliche mit anderen ethnischen Wurzeln. Sie kommen offenbar besser damit zurecht, in zwei Kulturen beheimatet zu sein.

Philippinisches Pflegepersonal präsentiert sich gerne als besonders freundlich, kompetent und liebevoll. Als indirekt Betroffene muss ich jedoch sagen, dass es wie in allen anderen Berufen und bei Menschen mit nichtphilippinischen Wurzeln in dem Bereich genauso gute und nicht so gute Pflegekräfte gibt. Es ist einfach ein Beruf, der nicht unbedingt mit Empathie verbunden sein muss, denn es handelt sich dabei um sehr schwere Arbeit, die sicher sehr an der Substanz nagt. Als direkt Betroffener sieht man das natürlich anders. Man möchte halt gern jemand, die oder der nur für einem alleine da ist.

Ich persönlich wünsche mir, dass der ständig bemühte „Heldenkult“ der philippinischen Bevölkerung endlich hinterfragt wird. Migration ist keine Heldentat. Migration mag eine Notwendigkeit oder auch ein persönlicher Wunsch sein und ist schon lange einfach eine Selbstverständlichkeit. Es ist absolut legitim, seine Lebensumstände verbessern zu wollen, manchmal beruflich notwendig oder einfach auch neugierig auf ein anderes Leben zu sein. Eine Heldentat ist sie nicht, wenngleich sie auch mit Schwierigkeiten und psychischer Belastung verbunden sein kann oder ist. Auch ich habe manchmal Sehnsucht gehabt nach Österreich, wenn ich wieder einmal eine Zeitlang ins Ausland gegangen bin. Aber es war temporär. Ich hätte es nicht müssen, aber ich bin für diese Möglichkeiten immer noch dankbar, auch für meine Zeit in den Philippinen.

Was mich auch freut ist die Tatsache, dass österreichisch-philippinische Jugendliche sich inzwischen für Politik zu interessieren beginnen.  Ich hoffe allerdings, dass dieses Interesse ihre beiden Kulturen betrifft, die Philippinen und Österreich, sind sie ja inzwischen in Österreich zu Hause, sind Österreicher/innen mit philippinischen Wurzeln. Seine Wurzeln sollte man auch schätzen.


Dr. Gisela M. Reiterer, Linguistin, Politikwissenschafterin und Zeithistorikerin, jetzt freie Wissenschafterin in Wien

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